Kunstmaler
   
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  Biographie
 



Karl Wilhelm Hagenlocher entstammte einer bodenständigen Adelssippe, die in der Region Tübingen beheimatet ist. Urkundlich bestätigt ist ein Hug von Hagenloch schon 1326 und ein Hagenlocher war 1532 Landvogt in Böblingen. Bis in die Vereinigten Staaten hat sich die Familie verzweigt. Um 1980 gab es ein groß angelegtes Familientreffen in den schwäbischen Stammlanden.

Vom Ursprungssitz seiner Vorfahren hatte sich Karl Wilhelm Hagenlocher selbst nur etwa 50 km Luftlinie entfernt. Eine durchaus auch schwäbische Form, sich neue und unvertraute Welten zu erschließen.  Der Großvater und der Vater waren schon in Renningen ansässig und betrieben eine Landwirtschaft. In Renningen wurde Karl Wilhelm Hagenlocher am 8. Juli 1909 als eines von drei Kindern seiner Eltern geboren. Hier ist er aufgewachsen, in einer ländlich behütenden Umgebung, in zutieftst geordneten Verhältnissen, aber auch in solchen, in denen Einschränkungen und Entbehrungen kein Fremdwort waren. Religiöse Erziehung wurde im Hause Hagenlocher groß geschrieben. Häufiges Beten gehörte zum Alltag: "Selbst bei Gewitter ", wie Hagenlocher sich noch erinnerte. Befragte man Hagenlocher zu dieser Zeit, so vermittelten seine Erinnerungen einen Eindruck elementarer Umfriedung und Geborgenheit, intakter Beziehungen und Bezugssysteme in einer insgesamt unspektakulären Kindheit.

Eingang in die Ortschronik haben die Streiche, an die er nicht ungerne zurückdachte, nicht gefunden, aber immerhin förderten sie seinen künstlerischen Werdegang. Als der kleine Karl Wilhelm wieder einmal den Hund des "Ochsenwirts" ärgert, gelingt es ihm nicht mehr ganz, dem aufgereizten Tier zu entkommen. Am Fuß gebissen, muß er vom Ortsarzt Dr. Schnait genäht werden. Dr. Schnait gibt ihm die Gelegenheit zu malen, und in dessen Haus werden seine Kinderzeichnungen geschätzt.

Einen anderen Kontakt zur Kunst erhält er durch den Lehrersohn Werner Rosbitzky. Bei einem Monatsgehalt dessen Vaters von 80 Mark mußte der Sohn auf dem Hof der Hagenlocher beim Futterschneiden helfen. Dafür bekam er etwas Brot ab. Ein Schwager der Rosbitzkys war Kunstmaler und Karl Wilhelm berichtete, daß er "diesem schon mal die Maltöpfle heben durfte". Jener warnt jedoch vor der unsicheren Existenz als Künstler und rät zur Architektur. Dieses"Strichlesg'schäfts" - so Hagenlocher - wird er aber schnell leid werden.

Die Atmosphäre des Richtigen in seiner heimatlichen Umgebung, gegründet auf Gottvertrauen, hat enge Grenzen gesetzt und oft zu entlarvenden fundamentalen Fehleinschätzungen von Wertigkeiten geführt. "Der Schiller und der Hegel, der Uhland und der Hauff, des isch bei uns die Regel, sowas fällt garnet auf." Doch: das fällt auf, weil eben nicht mit der Masse gleichzusetzen ist, sondern das Besondere vertritt. Für dieses Besondere sind die württembergischen Räume meist eng gewesen. Eine solche Art des Umgangs mit der Welt des Geistigen läßt eigentlich nur eines zu, die totale Opposition, das Aufbegehren, die Revolution, die Flucht. Schiller bot hier immer das Vorbild.

Karl Wilhelm Hagenlocher fühlte sich schon früh zur Kunst hingezogen. Bereits als Kind hatte er bereits Proben einer bemerkeswerten künstlerischen Veranlagung geliefert. Doch selbst ein so gefährlicher Ruf aus den unüberschaubaren Gefilden der Begabung kann systemgetreu beantwortet werden. Der Bub wird, vierzehnjährig, im Kloster Sießen zum Kirchen-, Fresko- und Dekorationsmaler ausgebildet. Als Lehrjunge erhielt er daüberhinaus unverzüglich die Gelegenheit in der Renninger Kirche anzufangen.

Das schlägt mehrere Fliegen mit einer Klappe. Zuvörderst wir das Gewissen des Vaters, das sich an der Richtschnur "Broterwerb" und "äbbes rechts" orientiert, beruhigt. Und auch die Verwandten und Nachbarn sind zufrieden, weil derjenige, der sich in den Dienst des Allerhöchsten stellt, ansehensmäßig - evangelische Bilderfeindlichkeit hin oder her - in der Nähe des "Herrn Pfarrer" steht und vielleicht sogar mit dem "Herrn Dekan" oder mit den Agenturen des Oberkirchenrates verkehrt.

Diese Finte machte das "Mißratene" zum Gewinn, erntete Reputation und gab unter Umständen für später sogar den Weg frei auf die Staatliche Kunstgewerbeschule nach Stuttgart (heute: Akademie der Bildenden Künste Stuttgart - Weißenhof). Karl Wilhelm Hagenlocher wurde somit die einzig sozialverträgliche Lösung eröffnet, weil der "Bub doch so schön malt", wie sein Lehrer wußte.

Mit Sicherheit war das Ausbessern von Kirchenfresken unter kundiger Anleitung eine gute Schule gewesen. Erst heute ist es zu Recht zutiefst zweifelhaft geworden, wieweit Kunst erlernbar ist. Dennoch gibt es an ihr erlernbare Anteile, wie wir wenigstens seit Leonardos "Trattato della pittura" wissen. Dieses erlernbaren Anteile, zusammen mit einer guten Portion Achtung vor der künstlerischen Produktion anderer, hat sich Hagenlocher auf jeden Fall schon früh aneignen können.

Ein arbeitswilliger, ja eifriger junger Mann strebte nach höheren Weihen. Der Entschluß, auf die Staatliche Kunstgewerbeschule in Stuttgart in Stuttgart zu gehen, ist naheliegend und die Schule liegt auch räumlich in der Nähe. Dort will, dort muß er hin! Da Protektion keineswegs eine Erfindung unserer Zeit ist, findet er auch seinen Fürsprecher. Es ist der Akademiedirektor Dr. Kermer, der in Renningen wohnt. Der Weg auf die Akademie wird auf diese Weise frei.

Schon bald ist Hagenlocher in Stuttgart und von Anfang an ist sicher, daß er dort bleiben wird. Düsseldorf, München oder gar Berlin sind unerreichbar.

Lehrer gibt es auch hier genügend. In Architektur lehrt Reihle, in der Kirchenmalerei unterichtet Rochga mit seinen besonders entwickelten Hang zum Dekorativen. Erwähnenswert ist auch noch das Fach Farbenlehre bei Dr. Wagner. Von überragender Bedeutung wird Pankok in der Ölmalerei, in dessen Meisterklasse Hagenlocher einmal aufgenommen wird.

Das Verhältnis Hagenlochers zu seinen akademischen Lehrern läßt sich wie folgt beschreiben: er will lernen und schöpft alle Möglichkeiten aus, die sie ihm überhaupt anbieten können. Seine technische Vielseitigkeit und Erfindungsgabe, die später noch darzustellen sein wird, hat hier ihren Ursprung.

Freundschaften entstehen u.a. mit Schuppert, Hägele, Stockhausen, Hundhausen und Jehlin. Namen, die für die Akademie in der Nachkriegszeit bedeutend werden. Mit Jehlin zum Beispiel veranstaltet er jeden Mittwoch eine sogenannte "Bildersprache" zu wechselseitiger Kritik. Die beiden sind auch beim Aktzeichnen zusammen und unternehmen gemeinsam Ausflüge.

Selbstverständlich beschäftigen ihn diesen Zeiten außerdem vitalere Interessen. Es gibt sie auch in diesem Leben, die Angebetete. Bei der ersten, distanzierten Begegnung war sie erst vierzehn Jahre alt. Um ihretwegen das ohnehin nur äußerst knapp vorhandene Geld zu sparen, geht er den Weg von Renningen zur Akademie nach Stuttgart oft zu Fuß. 1934 wird schließlich geheiratet.

Hagenlocher ist zu dieser Zeit längst freischaffender Künstler von Beruf. 1930 hat er die Ausbildung an der Staatlichen Kunstgewerbeschule abgeschlossen und im folgenden Jahr sogleich einen Lehraufrag für Wandmalerei bekommen, den er bis 1936 behält.

Bis 1939 ist er mit Aufträgen für Wandmalerei und für Kunst am Bau beschäftigt. 1940 wird er zur Wehrmacht eingezogen. Er ist Soldat in Frankreich, Polen und Rußland. In Rußland wird er verwundet und kommt deshalb zur Ersatzreserve, die ihn in Bad Cannstatt bei Räumkommandos einsetzt. Diese Zeit sucht er zeitlebens zu verdrängen. Als einer, der von Aufträgen lebt und eine Familie zu ernähren hat, kommt er ohne stillschweigende Kompromisse und ohne ein Mitläufertum nicht über die Runden. Sprach man ihn später auf diese Zeit an, so wurde spürbar, wie sehr er sich selbst ein solches Jasagertum nachtrug. Für den zuletzt 99-jährigen waren die Dinge indessen weit genug weg, um nicht immer wieder neu aufgearbeitet werden zu müssen.

In der Nachkriegszeit war das Leben für niemanden in Deutschland leicht. Hagenlocher verdient seinen Lebensunterhalt mit einem Farbenladen in Renningen und einigen wenigen Aufträgen für Kunst am Bau. Kaum sind die schlimmsten Jahre überwunden, trifft die Familie ein schwerer Schicksalsschlag. Seine Frau erleidet 1954 ihren ersten Schlaganfall. Sie wird rasch zum Pflegefall. Hagenlocher bildet für sie die einzige Brücke zum Leben. Er betreut und pflegt seine Frau über zwei Jahrzehnte hinweg.

Bemerkenswert ist aber auch das soziale Engagement in seiner Heimatgemeinde. Er, der Mandoline,Gitarre und Geige spielt, ist an der Gründung des Renninger Mandolinenclubs maßgeblich beteiligt. er gehört zu denjenigen, die den lokalen Steinbruch "eben machen" - so Hagenlocher im Originalton - und damit dem im weiten Umkreis bekannten Naturtheater die Bühne schaffen. Dreißig Jahre lang malt er für das Theater die Kulissen. Bei einer frühen Aufführung des Wilhelm Tell in der Ortsturnhalle spielt er die Rolle des Gessler.

Hagenlocher gehörte auch etlichen Künstlervereinigungen an. Beim Stuttgarter Künstlerbund war er mehr als 60 Jahre Mitglied und mehr als 35 Jahre gehörte er dem Verband Bildender Künstler an. Außerdem war er im Württembergischen Kunstverein Stuttgart und den Kunstvereinen Böblingen und Ludwigsburg Mitlgied.

Mit dem Verband stellt er in Wildbad aus; zu einer Werkschau in Herrenberg rücken die Renninger gar mit einem eigens gemieteten Bus an. In Renningen selbst finden Ausstellungen statt, seine Werke sind aber in Stuttgart, in Salsamaggiore Terme, in Lugano und in Paris ebenfalls zu sehen.

Ebenso bewährt sich Hagenlocher als Dozent für Kunst an der Volkshochschule und Kunstschule in Herrenberg, in Sindelfingen, Böblingen, Leonberg, Stuttgart und an der Sommer-Akademie Lugano. In Lugano begegnet er Oskar Kokoschka. Viele der Schüler, die er dort unterrichtet, halten ihm viele Jahre die Treue und profitieren von seinem Können.

Im Jahre 1980 wird ihm die Ehre zuteil, Mitglied der "Italienischen Akademie der Künste und Arbeit" zu werden. Er erhält eine Goldmedaille verliehen.

Ein weiterer schwerer Autounfall zu Ende der achtziger Jahre hält Hagenlocher für viele Wochen in Angst, querschnittsgelähmt zu sein. Dieses Schicksal bleibt ihm schließlich erspart und er kann sich nun einige, schon lange gehegte Wünsche erfüllen. Er unternimmt zwei Studienreisen nach Paris und in das Loire-Tal und besucht endlich Rom.

Heute gehört Hagenlocher zu den allseits bekannten und geschätzten Künstlern der Region. Seine Werke finden sich in zahlreichen öffentlichen und privaten Sammlungen; darunter auch der des Deutschen Bundestages. Sein Werk ist in vielen Publikationen dokumentiert; u.a. in dem umfangreichen Band "Kunst im Landkreis Böblingen", herausgegeben vom Landkreis Böblingen.


Sei künstleriches Schaffen einerseits und seine Lehrtätigkeit andererseits haben ihn zu einer unverzichtbaren Größe des regionalen Kulturlebens werden lassen und dies vor allem in seiner wichtigsten Funktion, nämlich der eines Mittlers zwischen den Stilen, den Zeiten und den Menschen, die die Kunst brauchen und lieben.


Karl Wilhelm Hagenlocher verstarb an seinem 99. Geburtstag in seiner Heimatstadt Renningen.



 
 
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